Schmähkritik - Kündigungsgrund für den Arbeitgeber?

Grundsätzlich gilt auch im Arbeitsverhältnis die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit. Arbeitnehmer:innen sind daher berechtigt, sachliche Kritik am Arbeitgeber und darauf gestützte Werturteile zu äußern.

Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses besteht jedoch als vertragliche Nebenpflicht, eine Pflicht zur Rücksichtnahme und Treue gegenüber dem Arbeitgeber.

Kritische Äußerungen dürfen daher nicht den Boden der Sachlichkeit verlassen und keine falschen Tatsachen verbreiten.

Überschreiten Arbeitnehmer:innen ihr Recht zur freien Meinungsäußerung, indem sie diese vertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen, so droht ihnen nicht nur eine Abmahnung, sondern in besonders schweren Fällen auch die fristlose, außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

LAG Mecklenburg-Vorpommern zu Schmähkritik am Arbeitgeber

Mit der Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Treuepflicht hat sich in einer aktuellen Entscheidung das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem Urteil vom 16.08.2022 zum Az. 2 Sa 54/22 beschäftigt.

Schmähkritik nicht von Meinungsfreiheit umfasst

Das Landesarbeitsgericht betont auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass sich Arbeitnehmer:innen nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen können, wenn sie grob unsachliche Angriffe gegen den Arbeitgeber äußern, die zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten und des Arbeitgebers führen können („Schmähkritik“).

Unter „Schmähkritik“ ist nach der Rechtsprechung eine Äußerung jedoch nur dann zu fassen, wenn sie jenseits auch zulässiger polemischer oder überspitzter Kritik, nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung in den Vordergrund stellt. Wesentliches Merkmal der Schmähkritik ist eine, das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende, persönliche Kränkung und bewusst falsche Tatsachenbehauptungen.

Hierbei können je nach Grad der Schwere auch einmalige Ehrverletzungen zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Je schwerwiegender und unverhältnismäßiger die Äußerung ist, desto eher rechtfertigt sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Reine „Schmähkritik“ ohne sachliche Grundlage genießt auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Schutz als Meinungsfreiheit.

Fristlose Kündigung wegen Schmähkritik am Arbeitgeber

In dem entschiedenen Fall hatte der betroffene Arbeitnehmer schriftlich angeblich schwerwiegende Gesetzesverstöße, Arbeitsrechtsverstöße und Eingriffe in seine Gesundheit, Würde und Menschenrechte behauptet. Diese schwerwiegenden Vorwürfe waren mit persönlichen Anschuldigungen gegen Vorgesetzte versehen. Für diese Vorwürfe konnte der Arbeitnehmer jedoch keine ausreichenden Tatsachen und konkreten Beweise belegen.

Die mehrfache Erhebung solch schwerwiegender Vorwürfe und Anschuldigungen ohne konkrete Nachweise und konkreten Tatsachenbezug, bewertete das Landesarbeitsgericht als Schmähkritik im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und bestätigte damit die arbeitgeberseits ausgesprochene fristlose außerordentliche Kündigung.

Nur berechtigte Kritik gegenüber Arbeitgeber äußern

Für Arbeitnehmer:innen ergibt sich aus dieser Rechtsprechung die Erkenntnis, berechtigte Kritik an Arbeitsumständen und Vorgesetztenverhalten stets konkret und mit ausreichenden Beweisen und Belegen vorzutragen, da ansonsten schwerwiegende Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis drohen.

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, bietet es sich auch an, zuvor mit diesem Kontakt aufzunehmen und ggf. sachlich gehaltene Beschwerden nach § 85 Betriebsverfassungsgesetz innerbetrieblich vorzubringen. Die Rechtsprechung zu kritischen Äußerungen von Arbeitnehmer:innen über Arbeitsumstände und Arbeitgeberverhalten sollte nicht als Anlass dienen, von berechtigten Meinungsäußerungen Abstand zu nehmen. Diese müssen sich aber stets in einem angemessenen Rahmen bewegen und beweisbare Grundlagen haben.

25.08.2023

Hentschel Rechtsanwälte – Weil Ihre Arbeit Teil Ihres Lebens ist! 




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