Kündigung im Arbeitsverhältnis - Fristbeginn für die außerordentliche Kündigung
07.02.2022
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann ordentlich fristgerecht oder außerordentlich fristlos ausgesprochen werden. Im Kündigungsschutzrecht hat die außerordentliche, fristlose Kündigung eine große Bedeutung, da sie besonders schwerwiegend in das Arbeitsverhältnis eingreift. Sie beendet dieses –falls sie rechtmäßig ist- mit sofortiger Wirkung.
Sofern auf das Arbeitsverhältnis der betroffenen Arbeitnehmer:innen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (Arbeitsverhältnis bestand seit mehr als 6 Monaten und im Betrieb werden mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter:innen beschäftigt) bedarf es für den Ausspruch einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung eines besonders schwerwiegenden Fehlverhaltens der Arbeitnehmer:innen. Nur sofern eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberseite vollkommen unzumutbar ist, kann die Kündigung fristlos ausgesprochen werden.
Für die Frage, ob ein vorgeworfenes Fehlverhalten derart gravierend ist, dass es den Ausspruch einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung rechtfertigt, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einer umfassenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalls.
Mit einer etwas weniger bekannten Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung hat sich in einem aktuellen Urteil das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 03.11.2021 – 10 Sa 7/21) beschäftigt. Nach § 626 Abs. 2 BGB darf eine fristlose, außerordentliche Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der die Kündigung begründenden Umstände ausgesprochen werden. Sind diese Umstände dem Arbeitgeber bereits länger als 2 Wochen bekannt, kann er sie nicht mehr für die Begründung einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung heranziehen. Die Voraussetzung dieser Kenntnis hat das Landesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung noch einmal klargestellt.
Hierbei hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass es für den Beginn der 2-wöchigen Frist auf die Kenntnis des für die betroffenen Arbeitnehmer:innen zuständigen kündigungsberechtigten Vertreters des Arbeitgebers ankommt. Sind diese Gründe beispielsweise lediglich dem Fachvorgesetzten bekannt, gelangen jedoch nicht zu dem disziplinarischen, kündigungsberechtigten Vorgesetzten, beginnt die 2-wöchige Frist in der Regel nicht zu laufen. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass in bestimmten Konstellationen die Kenntnis nicht kündigungsberechtigter Arbeitgebervertreter ausreichend sein kann. Sofern nämlich ein Arbeitgebervertreter im Betrieb eine herausgehobene Position und Führung innehat und im Stande ist, seinerseits den Sachverhalt umfassend aufzuklären, so dass der kündigungsberechtigte Arbeitgebervertreter mit einem Bericht ohne eigene Untersuchung eine Entscheidung über die Kündigung treffen kann, so kommt es für den Fristbeginn auf die Kenntnis dieser herausgehobenen Person an.
Auf einen weiteren wichtigen Sonderfall ist das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung besonders eingegangen:
Wird arbeitgeberseits wegen eines Rechtsverstoßes gegen eine Mehrzahl von Arbeitnehmer:innen ermittelt, so läuft die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist individuell für jede:n betroffene:n Arbeitnehmer:in. Der Arbeitgeber kann nicht das Gesamtergebnis der Untersuchung gegen alle betroffenen Arbeitnehmer:innen abwarten. Ist zum Abschluss der Gesamtuntersuchung die Frist gegenüber einzelnen Mitarbeiter:innen bereits abgelaufen, da deren Beteiligung früher bekannt wurde, so kann ihnen gegenüber keine fristlose, außerordentliche Kündigung mehr ausgesprochen werden.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg zeigt auf, dass es im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens notwendig und erfolgversprechend sein kann, genau herauszuarbeiten, wann wer welche Kenntnis auf Arbeitgeberseite von den Umständen des erhobenen Vorwurfs hatte.
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