Das Corona-Update im Arbeitsrecht - Was Beschäftigte jetzt wissen müssen (Ausgabe 6/2020)

Angesichts der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus und der flächendeckenden Schließung von Schulen, Kitas, Geschäften usw. stellen sich für die Beschäftigten derzeit zahlreiche Fragen – wir haben die Antworten.

Sehr geehrte Leser*innen, 

das Coronavirus gehört mittlerweile schon fast zu unserem Alltag, ob wir das nun wollen oder nicht. Sofern sich für das Arbeitsverhältnis relevante Fragestellungen ergeben, werden wir diese auch weiterhin aufgreifen und Ihnen Antworten und Informationen liefern. In den kommenden Ausgaben unseres Newsletters möchten wir uns jedoch auch wieder anderen Themen aus dem Bereich des Arbeitnehmerrechts zuwenden – denn während wir lernen, mit der Covid 19-Pandemie umzugehen, stellen sich in unseren Arbeitsverhältnissen tagtäglich auch andere drängende Fragen, gibt es spannende Entwicklungen und Alltägliches, das es sich zu beleuchten lohnt. 

Lesen Sie nun den aktuellen Teil unserer Reihe „Das Corona-Update im Arbeitsrecht – Was Beschäftigte jetzt wissen müssen“ 

Aktueller Hinweis zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) 

In der zweiten Ausgabe unseres Newsletters hatten wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, was mit Ihrem Gehaltsanspruch geschieht, wenn Sie nicht zur Arbeit gehen können, weil Sie wegen der Schließung von Schulen und Kitas die Betreuung Ihres Kinders sicherstellen müssen. 

Der Gesetzgeber hat auf die aktuelle Situation reagiert und § 56 IfSG um einen neuen Absatz 1a ergänzt. Darin ist nun geregelt: „Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen [...] vorübergehend geschlossen [...] und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. (Hervorhebung durch die Verfasserin). Die Änderung des § 56 IfSG ist mit Wirkung zum 30.03.2020 in Kraft getreten (Bundestagsdrucksache 19/18111). 
Die Antragsteller*innen müssen gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darlegen, dass sie im Zeitraum der Schul- oder Kita-Schließung keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können (§ 56 Abs. 1a Satz 2 IfSG). 
Wie auch bei einer Quarantäne wird dann für sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls und ab der siebten Woche in Höhe des Krankengeldes gezahlt (§ 56 Abs. 2 IfSG). Grundsätzlich zahlt der Arbeitgeber für die zuständige Behörde für sechs Wochen die Entschädigung aus; diese wird ihm auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung nicht an die betroffenen Beschäftigten aus, können diese den Anspruch direkt bei der zuständigen Behörde geltend machen (§ 56 Abs. 5 IfSG). 

Unser Betrieb ist weder von einer Schließung noch von Kurzarbeit betroffen – im Gegenteil: Wir sind voll ausgelastet. Mein Arbeitgeber verlangt nun, dass ich Überstunden mache, unter anderem um die Arbeit ausgefallener Kolleg*innen zu erledigen. Bin ich hierzu verpflichtet? 

Sie sind grundsätzlich in dem zeitlichen Umfang zur Arbeit verpflichtet, wie es in Ihrem Arbeitsvertrag steht. Die Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber ist nur dann zulässig, sofern es in Ihrem Arbeitsvertrag oder einem anwendbaren Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung vorgesehen ist. Fehlt es an einer solchen Regelung, müssen Sie nur in Notfällen, also in nicht vorhersehbaren Situationen Überstunden leisten. Hierzu zählen Naturkatastrophen wie beispielsweise drohende Überschwemmungen des Betriebes. Ein Notfall und damit ein ausreichender Grund für die einseitige Anordnung von Überstunden liegt hingegen nicht vor, wenn Sie die Arbeit kranker Kolleg*innen kompensieren oder ein erhöhtes Aufkommen an Aufträgen abarbeiten sollen. 

Unabhängig davon gilt: Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat, ist dessen (vorherige!) Zustimmung zur Anordnung von Überstunden erforderlich. Ihr Arbeitgeber muss auch und insbesondere bei der Anordnung von Mehrarbeit die Höchstgrenzen gemäß dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und anwendbarer Tarifverträge beachten. Das betrifft sowohl die Tageshöchstarbeitszeiten als auch die Grenzen der Nachtarbeit sowie die einzuhaltenden Ruhezeiten und die Sonn- und Feiertagesruhe. Hiervon darf gemäß § 14 ArbZG bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen des Arbeitgebers eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, abgewichen werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen, also beispielsweise bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen. Diese Ausnahmeregelung könnte daher in der momentanen Lage insbesondere in Gesundheitseinrichtungen oder der Lebensmittelproduktion greifen, sodass hier eine vorübergehende Überschreitung der Höchstgrenzen eventuell möglich ist. Allerdings ist selbst in solchen Ausnahmefällen die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und die Anordnung von Überstunden auf das Nötigste zu begrenzen. Zudem gilt auch in Notfällen: Innerhalb von sechs Kalendermonaten dürfen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich, also 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG). Soweit sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden, kann jedoch die Aufsichtsbehörde darüber hinaus weitergehende Ausnahmen von den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes zulassen (§ 15 Abs. 2 ArbZG). Im Hinblick auf Ihr Gehalt gilt, dass Überstunden in der Regel zusätzlich zu vergüten sind. Es kann aber davon abweichend statt einer Bezahlung der Mehrarbeit auch ein Freizeitausgleich vereinbart werden. 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass bei der Anordnung und Vergütung von Überstunden vieles von den konkreten Umständen des Einzelfalls, also der Art Ihres Arbeitsverhältnisses, den einschlägigen Regelungen in Ihrem Arbeits- oder einem Tarifvertrag, in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung abhängt. 

Ich habe aufgrund der Coronakrise von meinem Arbeitgeber die Kündigung erhalten. Was kann ich dagegen unternehmen? 

Sind Sie schon länger als sechs Monate bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt und sind in Ihrem Betrieb in der Regel mehr als zehn Beschäftigte (Auszubildende nicht mitgezählt) tätig, findet auf Ihr Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Das bedeutet: Ihr Arbeitgeber benötigt einen sachlichen Grund, damit die Kündigung sozial gerechtfertigt und damit rechtmäßig ist. Ein Beispiel ist die sogenannte betriebsbedingte Kündigung. Sachliche Gründe können auch in Ihrem Verhalten oder in Ihrer Person (beispielsweise bei häufigen Kurzzeiterkrankungen) liegen. 

Fazit: Ein sachlicher Grund liegt aufgrund der Coronakrise nicht zwangsläufig vor. Es ist daher ratsam, die Wirksamkeit der Kündigung von dem zuständigen Arbeitsgericht überprüfen zu lassen. Hierbei sollten Sie unbedingt die 3-Wochen-Frist, gerechnet ab dem Zugang des Kündigungsschreibens, beachten: Erheben Sie nicht innerhalb dieser drei Wochen beim Arbeitsgericht eine sogenannte Kündigungsschutzklage, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, selbst wenn sie es eigentlich nicht ist. Das ist in § 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt. Auch in der momentanen Situation ist diese Frist daher unbedingt zu beachten. 

Es gibt eine Ausnahme von der 3-Wochen-Frist: Demnach kann eine verspätete Klage nachträglich noch zugelassen werden, wenn Sie trotz Anwendung aller Ihnen „nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert“ waren, die Klage innerhalb von drei Wochen zu erheben (§ 5 KSchG). Dieser Antrag ist aber nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig und kann nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr gestellt werden (§ 5 Abs. 3 KSchG). 

Da also eine Zulassung verspäteter Klage nur unter engen Voraussetzungen möglich ist, sollten Sie die Klage idealerweise innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erheben. 

Wie erreiche ich das zuständige Jobcenter oder die Arbeitsagentur, um mich arbeitslos zu melden oder Anträge zu stellen? Was ist mit meinem Termin, muss ich diesen wahrnehmen? 

Die Bundesagentur für Arbeit gibt auf ihrer Webseite unter https://www.arbeitsagentur.de/corona-virus-aktuelle-informationen derzeit (Stand: 01.04.2020) folgende Hinweise: Seit dem 18.03.2020 gibt es keinen offenen Kundenzugang in den Gebäuden der Arbeitsagentur mehr. Vereinbarte Termine müssen nicht abgesagt werden; hierdurch entstehen Ihnen keine Nachteile und es gibt keine Rechtsfolgen und Sanktionen. Gesetzte Fristen werden zudem vorerst ausgesetzt. Eine Änderung dieser Regelungen wird den Betroffenen rechtzeitig mitgeteilt. Anträge auf ALG I und II können online gestellt und eine Arbeitslosmeldung telefonisch vorgenommen werden. Sie sollten sich über die Webseite der Bundesagentur für Arbeit fortlaufend über den Stand der Dinge informieren. 




« Zurück zur Übersicht
Nach oben