Das Corona-Update im Arbeitsrecht - Was Beschäftigte jetzt wissen müssen (Ausgabe 10/2020)
Angesichts der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus und der flächendeckenden Schließung von Schulen, Kitas, Geschäften usw. stellen sich für die Beschäftigten derzeit zahlreiche Fragen – wir haben die Antworten.
In unserem heutigen Rechtstipp dreht sich alles um den Urlaubsanspruch in der Corona-Krise.
Im Moment ist in unserem Betrieb aufgrund der Covid 19-Pandemie nur sehr wenig zu tun. Deswegen zieht mein Arbeitgeber in Erwägung, mich und meine Kolleg*innen zu verpflichten, nun Urlaub zu nehmen. Müsste ich dem Folge leisten?
Die Entscheidung, wann und wie lange Sie Urlaub beantragen, liegt zunächst einmal grundsätzlich bei Ihnen. Konkretisierende Regelungen finden sich gegebenenfalls in Ihrem Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs hat Ihr Arbeitgeber also Ihre Urlaubswünsche zu berücksichtigen, sofern dem nicht dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Beschäftigte entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz, BUrlG).
Selbst wenn Ihr Arbeitgeber sich entscheidet, den Betrieb wegen der Corona-Krise zu schließen, ist er nicht dazu berechtigt, kurzfristig „Zwangsurlaub“ anzuordnen. Denn das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber; er darf dieses nicht auf die Beschäftigten abwälzen. Zwar hat ein Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit, Betriebsferien anzuordnen bzw. hierüber mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung zu treffen. Allerdings ist dies nicht ohne eine für die Beschäftigten zumutbare Ankündigungsfrist, also eine ausreichend lange Vorlaufzeit möglich. Diese liegt bei etwa sechs Monaten, sodass Ihr Arbeitgeber jedenfalls kurzfristig keinen Betriebsurlaub anordnen kann.
Kommt es aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Betriebsschließung, kann der Arbeitgeber gegebenenfalls aus dringenden betrieblichen Gründen die Beschäftigten mit einer Ankündigungsfrist von einigen – etwa 5 bis 14 – Tagen anweisen, Urlaub zu nehmen. Voraussetzung ist dann, dass den Arbeitnehmer*innen trotzdem noch ein Teil, d.h. mindestens zwei Fünftel ihres Jahresurlaubs zur freien Verfügung steht und der Zwangsurlaub nicht außer Verhältnis zur Dauer der Betriebsschließung steht. Bis zu drei Fünftel des Jahresurlaubs können somit bei Vorliegen aller Voraussetzungen auf die Betriebsferien verwendet werden – das bedeutet bei einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen, dass Ihnen noch 12 Tage verbleiben müssten.
Sofern es einen Betriebsrat gibt, sollte dieser mit dem Arbeitgeber eine Regelung zur Betriebsschließung aus dringenden betrieblichen Gründen in einer Betriebsvereinbarung treffen.
Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf meinen Urlaub aus?
Zunächst einmal setzt die Bewilligung von Kurzarbeitergeld voraus, dass der Resturlaub aus dem Vorjahr vor dem Beginn der Kurzarbeitsphase aufgebraucht wurde. Das gilt aber nicht für den Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr. Ihr Arbeitgeber kann Sie also nicht verpflichten, Ihren Jahresurlaub zu nehmen, damit er Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen kann.
Haben Sie für die Zeit der Kurzarbeit Urlaub beantragt und wurde dieser von Ihrem Arbeitgeber genehmigt, ist das Schicksal Ihres Urlaubs ungewiss, da es hierzu unterschiedliche Auffassungen gibt. Während einerseits vertreten wird, dass für die Dauer des Urlaubs die Kurzarbeit entfällt, sodass in dieser Zeit kein Kurzarbeitergeld, sondern das reguläre Urlaubsentgelt (also 100 % des Gehalts) zu zahlen wäre, hat das Bundesarbeitsgerichts (Az. 9 AZR 164/08) im Jahr 2008 anders entschieden: Demnach entfällt mit der Vereinbarung von Kurzarbeit auch die Arbeitspflicht, was zur Folge hat, dass sich die Urlaubsgewährung nachträglich „in Luft auflöst“. Somit würde der/ die betroffene Beschäftigte auch an den Tagen in Kurzarbeit bleiben, für die ursprünglich Urlaub gewährt wurde. Der Urlaub wird also nicht verbraucht und der/ die Arbeitnehmer*in erhält in diesem Fall nur Kurzarbeitergeld. Derzeit gibt es noch keine Corona-Rechtsprechung zu diesem Thema. Daher bleibt abzuwarten, wie die Gerichte die Rechtslage im Zusammenhang mit der Covid 19-Pandemie bewerten.
Es ist zulässig, dass Ihr gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch für die Dauer der Kurzarbeit in dem Umfang gekürzt wird, in dem Ihre Arbeitspflicht entfällt. Wird beispielsweise für die Dauer von drei Monaten „Kurzarbeit Null? angeordnet, d.h. entfällt Ihre Arbeitspflicht in dieser Zeit vollständig, mindert sich Ihr Jahresurlaubsanspruch um ein Viertel.
Unser Betrieb ist weder von einer Schließung noch von Kurzarbeit betroffen – im Gegenteil: Wir sind voll ausgelastet. Mein Arbeitgeber will nun meinen bereits bewilligten Urlaub streichen. Ist er dazu berechtigt?
Hat Ihr Arbeitgeber den Urlaub genehmigt, ist er an seine Zustimmung gebunden und kann sie nicht widerrufen – es sei denn, es liegt ein absoluter Notfall, also ein unvorhersehbares, existenzgefährdendes Ereignis vor, es gibt zwingende betriebliche Gründe und keinen anderen Ausweg. Dann – und nur dann – ist Ihr Arbeitgeber berechtigt, Ihren Urlaub zu streichen. Diese Voraussetzungen sind allerdings nur selten erfüllt. Bloßer Personalmangel oder die Arbeitsunfähigkeit Ihrer Urlaubsvertretung rechtfertigen eine Streichung Ihres Urlaubs jedenfalls nicht. Solche organisatorischen Probleme muss Ihr Arbeitgeber selbst lösen.
Haben Sie Ihren Urlaub bereits angetreten, ist eine „Rückholung aus dem Urlaub“ ausgeschlossen – selbst dann, wenn es zwingende oder dringende betriebliche Gründe dafür gibt.
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