Kündigung wegen Fernbleibens vom Betrieb aus Angst vor Ansteckung 

Die Corona-Pandemie bestimmt nach wie vor unser (Arbeits-)Leben und führt mitunter zu dynamischen Entwicklungen von Rechten und Pflichten im Arbeitsverhältnis – Stichwort Homeoffice. Dabei geht es auch um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer:innen an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz präsent sein müssen. 
 
Das Arbeitsgericht Kiel hat sich in einer Entscheidung vom 11.03.2021 (Aktenzeichen 6 Ca 1912/c20) mit einer Kündigung zu befasst. 
 
Der im Homeoffice tätige Arbeitnehmer war von seinem Arbeitgeber angewiesen worden, im Betrieb vor Ort neue Kolleg:innen einzuarbeiten. Der Arbeitnehmer weigerte sich nach einem Tag, weiter zur Arbeit im Betrieb zu erscheinen. Die Urlaubsreise in sein Heimatland stehe unmittelbar bevor. Er wolle nicht das Risiko eingehen, sich im Betrieb noch zu infizieren. Auch wisse sein Arbeitgeber, dass er Risikopatient und deshalb besonders gefährdet sei. Auf Nachfrage der Beklagten vom gleichen Tag bekräftige der Arbeitnehmer seinen Entschluss, woraufhin die Beklagte ihm fristlos kündigte.  
 
Das Arbeitsgericht Kiel sieht in der Angst, im Büro möglicherweise einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein, keinen Grund, zuhause zu bleiben. Es hat daher die ohne vorherige Abmahnung erfolgte fristlose Kündigung nach einer Interessenabwägung für wirksam angesehen. Dass der Arbeitnehmer Risikopatient sei, schließe eine Beschäftigung vor Ort nur dann aus, wenn der Arbeitnehmer aufgrund Vorerkrankung ein ärztlich attestiertes derartig hohes Risiko für einen schweren Corona-Erkrankungsverlauf hätte, dass jegliche Beschäftigung im Büro mit anderen Mitarbeitern unverantwortlich wäre. 
 
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts betont die bei Kündigungen notwendige Interessenabwägung, die durchaus zu Lasten der Arbeitnehmer*innen gehen kann. Das Urteil zeigt aber auch, dass es bei der Interessenabwägung auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Hätte der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vorgelegt, in welchem ihm ein hohes Erkrankungsfolgenrisiko bei einer Beschäftigung im Betrieb vor Ort bescheinigt worden wäre, hätte die Interessenabwägung voraussichtlich ergeben, dass eine fristlose Kündigung wegen Fernbleibens vom betrieblichen Arbeitsplatz nicht möglich gewesen wäre. 

Hentschel Rechtsanwälte – Wir setzen Arbeitnehmer:innenrechte durch 




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