Kündigung unwirksam wegen Widerspruchs zum zuvor erteilten Zwischenzeugnis!

An die Aussagen in einem Zwischenzeugnis ist der Arbeitgeber gebunden. Eine im Widerspruch dazu erteilte verhaltensbedingte Kündigung kann unwirksam sein, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Az. 14 Sa 1350/21) in einem sehr interessanten Fall.

Folgendes war passiert:

Der Arbeitnehmer eines Produktionsbetriebs erhielt von seiner Arbeitgeberin ein überdurchschnittlich gutes Zwischenzeugnis mit folgender Leistungs- und Verhaltensbeurteilung: „Er erledigt die ihm übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollsten Zufriedenheit. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen ist immer einwandfrei.“

Am darauffolgenden Tag kündigte ihm die Arbeitgeberin fristlos und hilfsweise ordentlich.

Die Kündigung begründete die Arbeitgeberin damit, dass der Arbeitnehmer den Geschäftsführer beleidigt, bedroht und mitgeteilt habe, erst dann wieder die Arbeit aufzunehmen, wenn er ein Zwischenzeugnis erhalte. Nur, um das Geschehen zu beruhigen, habe der Geschäftsführer dem Arbeitnehmer dann das Zwischenzeugnis erteilt.

Kündigungsschutzklage erfolgreich

Gegen die verhaltensbedingte Kündigung hat sich der Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt.

Das Arbeitsgericht Bocholt gab der Klage statt und auch das LAG Hamm hielt sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung für unwirksam und wies die Berufung der Arbeitgeberin als unbegründet zurück.

Mit der Formulierung im Zwischenzeugnis, das Verhalten des Klägers gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sei „immer einwandfrei“, habe die Arbeitgeberin zum Ausdruck gebracht, dass das Verhalten des Klägers im Arbeitsverhältnis bis zur Ausstellung des Zwischenzeugnisses nicht zu beanstanden war.

Widersprüchliches Verhalten - Kündigung unwirksam

Nach Auffassung des LAG habe sich die Arbeitgeberin widersprüchlich verhalten, weil sie einerseits im Zwischenzeugnis das Verhalten des Arbeitnehmers positiv bewertete, aber andererseits das Arbeitsverhältnis am Folgetag gerade wegen Beanstandung im Verhalten des Arbeitnehmers kündigte.

Aufgrund des widersprüchlichen Verhaltens der Arbeitgeberin sei die Kündigung wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB unwirksam, was Folgendes bedeutet:
Eine Partei verstößt gegen Treu und Glauben, wenn sie mit ihrer Rechtsverfolgung eine Haltung einnimmt, die mit ihrer früheren Erklärung im Widerspruch steht, und wenn die andere Partei aus dem früheren Verhalten entnehmen durfte, dass nachteilige Rechtsfolgen gegen sie nicht mehr geltend gemacht werden.

Dementsprechend kann sich ein Arbeitgeber zur Begründung einer Kündigung nicht auf Verhaltensweisen berufen, die bei Erteilung des Zeugnisses bekannt bzw. dieser unmittelbar vorausgegangen waren.

Arbeitszeugnis - Grundsatz der Zeugniswahrheit

Der Einwand der Arbeitgeberin, es habe sich bei der Beurteilung um eine schriftliche Lüge gehandelt, die dem Ziel gedient habe, den Arbeitnehmer und die Situation zu beruhigen, ließ das LAG wegen des Grundsatzes der Zeugniswahrheit nicht gelten.

Dieser besagt, dass ein Arbeitszeugnis wahrheitsgemäß sein muss und nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend. Der Arbeitnehmer habe demnach die im Zeugnis zum Ausdruck kommende Würdigung von Leistung und Verhalten so verstehen dürfen, dass es sich um eine zutreffende Beurteilung im Arbeitszeugnis handelt.

Somit war die Arbeitgeberin an ihre Aussagen in dem Zwischenzeugnis gebunden und die Kündigung unwirksam.

Die Arbeitgeberin hätte nach Ansicht des LAG kein überdurchschnittlich gutes Zwischenzeugnis ausstellen müssen, sondern andere Optionen zur Beruhigung der Situation ergreifen können.

Gegen Kündigungen vorgehen

Die Entscheidung des LAG Hamm zeigt wieder einmal, dass bei Erhalt einer Kündigung unbedingt anzuraten ist, diese gründlich anwaltlich prüfen zu lassen. Oft bestehen gute Möglichkeiten, rechtlich gegen die Kündigung vorzugehen.

21.04.2023

Hentschel Rechtsanwälte – Weil Ihre Arbeit Teil Ihres Lebens ist! 




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