(Krankheitsbedingte) Verhinderung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes (BAG 1 ABR 5/19)

Neben inhaltlichen Gestaltungs- und Rechtsfragen bestehen in der täglichen Betriebsratsarbeit auch eine Vielzahl von zu beachtenden Formvorschriften. Dass wirksames Betriebsratshandeln einen ordnungsgemäßen Beschluss voraussetzt, bei dem auch die formellen Voraussetzungen eingehalten sein müssen, ist für viele Betriebsräte eine tägliche Selbstverständlichkeit. Es ergeben sich jedoch immer wieder auch besondere Konstellationen, deren Beachtung von großer Bedeutung ist, da Fehler hier zur Unwirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse führen können. 

Ein Bereich, in dem es häufiger zu Rechtsproblemen und Unsicherheit kommt, ist derjenige der Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern und die eventuell folgende Verpflichtung Ersatzmitglieder zur Betriebsratssitzung zu laden. 
Mit einer solch speziellen Konstellation hat sich das Bundesarbeitsgericht in einer neueren Entscheidung aus dem Jahre 2020 befasst.

Dem Fall lag die Situation zugrunde, dass der vollständig freigestellte Betriebsratsvorsitzende gemäß eines ärztliches Attestes Arbeitsunfähig war aber dennoch an der Betriebsratssitzung teilgenommen hatte.

Ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied kann in einer solchen Situation selbst entscheiden, ob die zu einer Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung auch eine ehrenamtliche Tätigkeit als Betriebsrat unmöglich macht.

Diese Möglichkeit besteht nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes für vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit eines vollständig freigestellten Betriebsratsmitgliedes ihn hindert, das Betriebsratsamt wahrzunehmen.

Bei vollständig freigestellten Betriebsratsmitgliedern könne nicht zwischen Arbeitspflichtig und Ehrenamt unterschieden werden, da es aufgrund der Freistellung keine Arbeitspflicht sondern nur das Ehrenamt gebe. Die Freistellung bewirkt, dass die Tätigkeit im Betriebsratsamt vollständig die Arbeitspflicht ersetzt. Damit kann auch nicht mehr zwischen Arbeitsunfähigkeit und Unfähigkeit zur Betriebsratsarbeit unterschieden werden. Bei einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ergibt sich auch eine Unfähigkeit der Betriebsratsarbeit, da im Falle eines vollständig freigestellten Betriebsratsmitgliedes beides gleichzusetzen sei. Arbeitsunfähigkeit bedeute in jenem Fall auch Betriebsratsunfähigkeit.

Diese wichtige Erkenntnis sollten Betriebsräte in ihrer täglichen Arbeit unbedingt beachten. 

Hentschel Rechtsanwälte – Wir setzen Arbeitnehmer*Innenrechte durch  




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