Keine betriebsbedingte Kündigung wegen Corona (Arbeitsgericht Berlin 38 Ca 4569/20)
Aufgrund des Strukturwandels in Industrie und Wirtschaft befinden sich viele größere Unternehmen schon seit längerer Zeit in Umstrukturierungsprozessen. Diese führen vielfach auch zu einem Personalabbau und damit zu betriebsbedingten Kündigungen (wie zum Beispiel aktuell bei Mahr in Göttingen).
Da solche Kündigungen weder mit dem Verhalten der betroffenen Arbeitnehmer*innen noch mit ihrer Person im Zusammenhang stehen, können Arbeitgeber die zu kündigenden Personen nicht nach freiem Ermessen auswählen, sondern müssen sich an die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes bei betriebsbedingten Kündigungen halten. Insbesondere sind Arbeitgeber gezwungen, eine ordnungsgemäße Auswahl nach sozialen Kriterien (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) vorzunehmen.
Diese Arbeitgeberpflicht gilt auch dann, wenn der Personalabbau im Rahmen eines mit dem Betriebsart verhandelten Interessenausgleichs und Sozialplans erfolgt.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie verstärken diese Tendenz zu betriebsbedingtem Personalabbau zusätzlich.
In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht Berlin in einer neueren Entscheidung zum Aktenzeichen 38 Ca 4569/20 jedoch in erfreulicher Deutlichkeit klargestellt, dass allgemeine wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie alleine nicht zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung genügen. Konkret hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass ein allgemeiner Hinweis auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Darlegung eines Umsatzrückganges noch nicht als Begründung einer betriebsbedingten Kündigung ausreichen können. Die Arbeitgeberseite muss konkrete Zahlen zu einem dauerhaften Auftrags- und Einnahmerückgang und einem daraus folgenden dauerhaft niedrigeren Personalbedarf belegen.
Mit dieser Entscheidung stärkt das Arbeitsgericht Berlin den Schutz von Arbeitnehmer*innen vor übereilten Personalentscheidungen aufgrund aktueller und möglicherweise nur kurzfristiger wirtschaftlicher Auswirkung der Corona-Pandemie. Arbeitgeber sind somit gehalten, den Grundsatz des Kündigungsschutzes ernst zu nehmen und betriebsbedingte Kündigungen tatsächlich nur als allerletztes Mittel einzusetzen.
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