Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Arbeitnehmer:innen müssen Erkrankungen offenlegen
Werden Arbeitnehmer:innen durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit unverschuldet an ihrer Arbeitsleistung verhindert, können sie vom Arbeitgeber gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Entgeltfortzahlung für maximal sechs Wochen verlangen.
Tritt eine erneute Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit auf, beruht die Arbeitsunfähigkeit also auf dem alten, nicht behobenen Grundleiden (sogenannte Fortsetzungserkrankung), gibt es erst einmal keine weitere Entgeltfortzahlung mehr. Eine Ausnahme gilt, wenn der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (§ 3 Abs.1 Satz 2 Nr.1 EZFG). Bei chronischen oder Dauererkrankungen entsteht ein neuer Lohnfortzahlungsanspruch spätestens alle zwölf Monate (§ 3 Abs.1 Satz 2 Nr.2 EZFG).
Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Fortsetzungserkrankung
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Arbeitsunfähigkeit durch dieselbe Krankheit bedingt ist, die bereits während der letzten sechs Monate zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt hat, liegt nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich beim Arbeitgeber.
Problematisch für den Arbeitgeber ist jedoch, dass die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Angaben zur Krankheit beinhaltet. So kann der Arbeitgeber nicht beurteilen, ob der erneuten Arbeitsunfähigkeit dieselbe Krankheit zugrunde liegt.
Neues BAG-Urteil: Offenlegung des Gesundheitszustands durch Arbeitnehmer:innen
In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat Bundesarbeitsgericht (BAG) nun klargestellt, dass Arbeitnehmer:innen verpflichtet sind, dem Arbeitgeber ihren Gesundheitszustand offenzulegen (BAG, Urteil vom 18.01.2023 - 5 AZR 93/22).
Es hat entschieden, dass Arbeitnehmer:innen sämtliche Erkrankungen gegenüber dem Arbeitgeber offenlegen müssen, wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend gemacht wird und es um die streitige Frage geht, ob es sich um eine neue Erkrankung oder um eine Fortsetzungserkrankung handelt.
Der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin muss nach dem BAG konkrete Tatsachen vortragen, die eine Fortsetzungserkrankung ausschließt.
Sie müssen zudem unter Bezugnahme auf den gesamten einschlägigen Sechsmonatszeitraum ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden schildern und darlegen, welche Folgen diese auf die Arbeitsfähigkeit hatten.
Der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin sei laut dem BAG auch verpflichtet, gegebenenfalls die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.
Zu beachten ist aber, dass sie nur zu den Erkrankungen Stellung nehmen müssen, die sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit dem jeweiligen Arbeitgeber erlitten haben.
Das BAG betonte zwar, dass Arbeitnehmer:innen ein hohes Interesse am Schutze ihrer Gesundheitsdaten haben.
Dieser Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei aber verhältnismäßig und gerechtfertigt. Denn nur so lasse sich klären, ob ein weiterer Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht, so das BAG.
Anwaltliche Beratung einholen
Das Urteil des BAG zeigt, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gerade, wenn es sich um die Frage handelt, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt, sehr komplex ist und teils vom schwierigen Beweisfragen abhängt. Die Einholung anwaltlicher Beratung in solch einer Situation, ist deshalb zu empfehlen.
29.06.2023
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