Die großen Probleme bei der Vergütung von Überstunden 

In vielen Arbeitsverhältnissen kommt es regelmäßig dazu, dass die Arbeitsaufgaben von Arbeitnehmer:innen innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit nicht vollständig erledigt werden können. In jenem Fall kommt es zu sogenannten Überstunden, also Arbeitszeit, die über die vertragliche Normalarbeitszeit (von üblicherweise 38 oder 40 Stunden pro Woche) hinausgeht. Die Konstellationen, in denen solche Überstunden entstehen, sind sehr vielschichtig. Dies reicht von einer ausdrücklichen und teilweise sogar schriftlichen arbeitgeberseitigen Anordnung bis hin zu einem freiwilligen „Zu- Ende-Arbeiten“ seitens der Arbeitnehmer:innen. 
 
Kommt es dann zum Streit darüber, welche Überstunden geleistet worden sind, ob diese notwendig waren und zu bezahlen sind, stellen sich für Arbeitnehmer:innen oft sehr große praktische Probleme bei der Durchsetzung ihres Vergütungsanspruchs. Grundsätzlich sind Überstunden genau wie reguläre Arbeitsstunden zu bezahlen. Arbeitsverhältnisse und Arbeitsvertragsklauseln, nach denen Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten sind, dürften meistens unwirksam sein, da eine solche Abgeltung nur in sehr engen Ausnahmefällen zulässig ist. 
 
Nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit müssen Arbeitnehmer:innen nicht nur das tatsächliche Entstehen von Überstunden beweisen, also dass sie tatsächlich mehr als vertraglich vereinbart gearbeitet haben. Vielmehr müssen sie auch nachweisen, dass diese Überstunden arbeitgeberseitig ausdrücklich oder zumindest durch schlüssiges Verhalten angeordnet waren. Einer solchen Anordnung steht es gleich, wenn die angeordnete Arbeit bei einer objektiven Betrachtung nur mit Überstunden zu leisten gewesen ist. Diese Darlegungs- und Beweislast stellt Arbeitnehmer:innen oft vor sehr hohe Hürden. 
 
In einer aktuellen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Aktenzeichen 5 Sa 1292/20) mit einer solchen Konstellation beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsort nicht die Vermutung begründe, Überstunden seien für die Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Auch aus der Art der Arbeit sei objektiv nicht zu erkennen gewesen, dass diese nur mit Überstunden zu erledigen gewesen sei. An eine solche Auslegung seien strenge Maßstäbe anzulegen. Da es an einer nachweisbaren ausdrücklichen Anordnung der Überstunden durch den Arbeitgeber fehlte, konnte der betroffene Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Überstundenvergütung nicht durchsetzen. Dem Arbeitnehmer half es auch nicht, dass im Betrieb technische Zeitaufzeichnungen vorhanden waren. Sofern diese nicht auch zur Aufzeichnung und Erfassung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit gestaltet waren, liegt in der Verwendung dieser technischen Zeitaufzeichnung keine arbeitgeberseitige Billigung von Überstunden.  
 
Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dieser Entscheidung auch gegen die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs gewandt, nach der bei einem Fehlen einer die Arbeitszeit erfassenden technischen Einrichtung, die Beweislast bei einem Streit über Überstunden beim Arbeitgeber liege.  
 
Für Arbeitnehmer:innen lässt sich aus dieser aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ableiten, dass sie geleistete Überstunden stets beweisbar dokumentieren sollten und seitens des Arbeitgebers eine Bestätigung der Anordnung von Überstunden einholen sollten. Nur mit diesen beiden Aspekten kann eine Vergütung geleisteter Überstunden sicher durchgesetzt werden. 

Hentschel Rechtsanwälte – Wir setzen Arbeitnehmer:innenrechte durch 




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