Der Urlaubsanspruch am Jahresende
Durch eine Vielzahl von Gerichtsurteilen zum Erholungsurlaub im Arbeitsverhältnis hat sich eine für Arbeitnehmer:innen nicht immer leicht durchschaubare Rechtslage ergeben.
Daher möchten wir aus Anlass des aktuellen Jahreswechsels einen Überblick geben:
Grundsatz
Das Bundesurlaubsgesetz geht von einer einfachen und klaren Urlaubsregelung aus. Es besteht ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch von 4 Wochen. Dieser ist auf das jeweilige Kalenderjahr bezogen und verfällt zum Jahresende, wenn er nicht in Anspruch genommen wird.
Diese Aussage des Gesetzes ist durch die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts in den letzten Jahren in mehrfacher Hinsicht zu Gunsten von Arbeitnehmer:innen konkretisiert worden. Diese Rechtsprechung will einen unverschuldeten Verfall des Urlaubs zum Jahresende verhindern.
Folgende korrigierende Aussagen hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren getroffen:
Korrektur 1:
Der Urlaubsanspruch verfällt zum Jahresende nicht, wenn Arbeitnehmer:innen das ganze Kalenderjahr über erkrankt waren und ihren Urlaub nicht in Anspruch nehmen konnten. In jenem Fall verfällt der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres (31.03. des übernächsten Jahres).
Korrektur 2:
Der Urlaubsanspruch verfällt zum Jahresende nur dann, wenn Arbeitgeber:innen ihren Beschäftigten auch die Möglichkeit eingeräumt haben den Urlaub anzutreten. Demnach besteht eine Mitwirkungspflicht von Arbeitgeber:innen bei der Inanspruchnahme von Urlaub. Sie müssen ihre Beschäftigten konkret auf noch bestehende Urlaubsansprüche hinweisen und sie zur Inanspruchnahme auffordern. Fehlt es an einer solchen konkreten und individuellen Aufforderung verfällt der Urlaubsanspruch zum Jahresende nicht.
Korrektur 3:
Der Urlaubsanspruch verjährt auch nicht in der allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren, die grundsätzlich für alle zivilrechtlichen Ansprüche gilt, wenn Arbeitgeber:innen ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt haben, ihre Beschäftigten also nicht aufgefordert haben den Urlaub zum Jahresende spätestens anzutreten (siehe Korrektur 2).
Die dargestellten Aussagen der Rechtsprechung zum Erholungsurlaub gelten zunächst einmal für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 4 Wochen. Gewähren Arbeitgeber:innen einen darüber hinaus gehenden Mehrurlaub, wie dies häufig der Fall ist, so gelten diese Rechtsgrundsätze auch für den Mehrurlaub, wenn im Arbeitsvertrag nicht zwischen Mindesturlaub und Mehrurlaub unterschieden wird. Findet eine solche Unterscheidung statt, gelten die Aussagen nur für den gesetzlichen Mindesturlaub.
Endet das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmer:innen, z.B. durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, ohne dass ausstehende Urlaubstage angetreten wurden, so sind diese durch eine Zahlung abzugelten. Für jeden nicht angetretenen Urlaubstag ist ein Geldbetrag in Höhe des Lohns zu zahlen, der für einen Arbeitstag angefallen wäre. Bezüglich dieses durch Zahlung abzugeltenden Urlaubes sind jedoch Fristen zu beachten. Zum einen dürfte ein solcher Abgeltungsanspruch spätestens nach 3 Jahren in der allgemeinen Verjährungsfrist verjähren. Weiterhin sind arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche anzuwenden. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen binnen der festgelegten Frist schriftlich geltend gemacht werden und bei Ablehnung innerhalb einer weiteren Frist sogar eingeklagt werden.
Betroffene Arbeitnehmer:innen sollten Fragen noch bestehenden Urlaubsanspruches stets zum Jahresende prüfen. Für die Durchsetzung von Arbeitnehmer:innenrechten stehen wir zur Verfügung.
18.01.2023
Hentschel Rechtsanwälte – Weil Ihre Arbeit Teil Ihres Lebens ist!
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