Bundesarbeitsgericht (BAG) zur betrieblichen Eingliederung von Arbeitnehmer*innen bei “Matrixstrukturen” 

In der heutigen Arbeitswelt sind immer mehr Unternehmen und Betriebe in sogenannten Matrixstrukturen organisiert, bei denen die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer:innen und der Einsatz der Produktionsmittel nicht mehr ausschließlich auf einen örtlichen Betrieb beschränkt ist. Hierbei kann es zur betriebsübergreifenden, überörtlichen Zusammenarbeit von Arbeitnehmer*innen und Führungskräften kommen. 
 
Das im Wesentlichen auf den klassischen Betriebsbegriff zugeschnittene Betriebsverfassungsgesetz muss in Anbetracht dieser Gestaltungsformen stets zeitaktuell ausgelegt und angewendet werden. Hierbei kommt es schon seit längerer Zeit immer wieder zu klärungsbedürftigen Rechtsfragen. 
 
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung beschäftigt sich immer wieder mit der betrieblichen Eingliederung und Zuordnung von Arbeitnehmer:innen in Matrixstrukturen. 
 
Die Frage der Zuordnung und Eingliederungen in einen konkreten Betrieb hat insbesondere für Betriebsräte große Bedeutung. Schließlich bezieht sich ihre Zuständigkeit zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Angelegenheiten auf einen konkreten Betrieb und die diesem Betrieb zugehörigen Arbeitnehmer:innen. Auch für die im Jahr 2022 bundesweit anstehenden Betriebsratswahlen ist die Frage der Zuordnung der Beschäftigten zu Betrieben von immenser Bedeutung. 
 
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Vergangenheit bereits entschieden, dass eine Führungskraft auch demjenigen Betrieb zugeordnet ist, dem die von ihr geführten Arbeitnehmer:innen angehören. Das gelte auch dann, wenn sie sich selbst dort nicht persönlich aufhalte und dort keinen Arbeitsplatz habe (Az. 1 ABR 5/18 vom 12.06.2019). Die Führungskraft erbringe ihre Arbeitsleistung durch die Führung von Arbeitnehmer:innen. Da diese Arbeitsleitung in dem Betrieb stattfinde, dem die geführten Arbeitnehmer:innen angehören, sei auch die Führungskraft diesem Betrieb zuzuordnen. Gleichfalls bestehe eine zusätzliche Zuordnung zu dem örtlichen Betrieb, in dem die Führungskraft selbst ansässig ist, also ihren Arbeitsplatz hat. 
 
In einer aktuellen Entscheidung (Az. 7 ABR 17/20 vom 26.05.2021) hat sich das Bundesarbeitsgericht nun mit der umgekehrten Frage beschäftigt, ob ein Arbeitnehmer auch demjenigen Betrieb zuzuordnen ist, in dem die für ihn zuständige Führungskraft ansässig ist, in dem er sich selbst aber nicht persönlich aufhält und dort keinen Arbeitsplatz hat. 
 
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts spricht die Erbringung der Arbeitsleistung in einem örtlichen Betrieb für die Eingliederung in diesen Betrieb, sofern die Arbeitsleistung dem dortigen Betriebszweck dient. Die Unterstellung eines Arbeitnehmers unter das fachliche Weisungsrecht einer in einem anderen Betrieb ansässigen Führungskraft führe nicht zu einer Auflösung der Eingliederung in den eigenen Beschäftigungsbetrieb des Arbeitnehmers. Tragendes Argument des Bundesarbeitsgerichts ist hierbei, dass der betroffene Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung noch immer in den Betriebsstrukturen und zu dem Betriebszweck desjenigen Betriebs erbringt, in dem er örtlich tätig ist. 
 
Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auswirkung von Matrixstrukturen auf die betriebliche Eingliederung von Arbeitnehmern ist zu begrüßen, da sie eine Zuordnung zu demjenigen Betrieb schafft, mit dem die größten Berührungspunkte bestehen und dessen Strukturen die größten Auswirkungen auf die praktische Ausübung des Arbeitsverhältnisses haben. 
 
Festzuhalten bleibt aber auch, dass Matrixstrukturen immer wieder zu rechtlich komplizierten Fragestellungen führen, die einer fundierten Beurteilung bedürfen.  

Hentschel Rechtsanwälte – Wir setzen Arbeitnehmer:innenrechte durch 




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