Betriebsbedingte Kündigungen
Wie stark ist der Kündigungsschutz von Betriebsräten eigentlich?
Mit dieser Frage hatten wir uns in dem Kündigungsschutzverfahren einer Betriebsrätin am Arbeitsgericht Siegburg zu beschäftigen, da ihr Arbeitsverhältnis wegen Schließung der Abteilung, in der sie tätig war, gekündigt wurde.
Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte
Dass Betriebsratsmitglieder einen Sonderkündigungsschutz genießen, ist nahezu allen Menschen, die regelmäßig mit dem Betriebsverfassungsgesetz zu tun haben, wie beispielsweise Betriebsräten, Arbeitnehmervertretern und Beschäftigten des Betriebes, bekannt.
Dieser Sonderkündigungsschutz bedeutet, dass eine ordentliche, fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unzulässig ist. Möglich sind damit eigentlich nur außerordentliche, fristlose Kündigungen. Diese setzen jedoch nahezu immer ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Betriebsratsmitglieds voraus. Die von der Rechtsprechung gesetzten Hürden für eine solche Kündigung sind sehr hoch.
Wie weit geht nun aber der Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern gegenüber betriebsbedingten Kündigungen, wenn der Arbeitsplatz, auf dem das Betriebsratsmitglied bisher beschäftigt war, abgeschafft wird? Solche betriebsbedingten Kündigungen können grundsätzlich nicht außerordentlich fristlos ausgesprochen werden. Es besteht praktisch nur die Möglichkeit, hier ordentlich, fristgerecht zu kündigen. Diese Kündigungsmöglichkeit ist nach § 15 KSchG jedoch im Rahmen des bestehenden Sonderkündigungsschutzes von Betriebsräten eigentlich ausgeschlossen.
Sonderfall: Schließung von Betrieb oder Betriebsteil
Hier kommt nun eine wichtige rechtliche Ausnahme von diesem grundsätzlichen Kündigungsverbot ins Spiel. Nach § 15 KSchG kann ein Betriebsratsmitglied ordentlich, betriebsbedingt gekündigt werden, wenn der Betrieb, für den es gewählt wurde, geschlossen wird. Mit der Schließung des Betriebes verliert das für diesen Betrieb gewählte Betriebsratsmitglied und der gesamte Betriebsrat sein Mandat. Für einen Betriebsrat ohne Betrieb gibt es keinen Sinn. Folge hiervon ist die Möglichkeit der Kündigung zum Zeitpunkt der vollständigen Einstellung der Betriebsaktivitäten.
Eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung kann jedoch auch schon dann ausgesprochen werden, wenn eine Betriebsabteilung geschlossen wird, in der das Betriebsratsmitglied beschäftigt war und eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist.
Voraussetzung 1: Betriebsabteilung
Für diese Kündigungsmöglichkeit setzt die Rechtsprechung hohe Hürden. Zunächst einmal muss überhaupt eine Gliederung des Betriebes in selbstständige Betriebsabteilungen vorliegen. Ist dies nicht der Fall, entfällt diese Kündigungsmöglichkeit vollständig. Eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 KSchG ist nach der Rechtsprechung eine organisatorisch abgegrenzte Abteilung des Betriebes, die über einen eigenen Betriebszweck, eigene technische Betriebsmittel und eigenes Personal verfügt. Der Grad der organisatorischen Selbstständigkeit muss höher sein als bei einem bloßen Betriebsteil. Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht Köln in einer aktuellen Entscheidung aus dem Jahre 2023 zum Aktenzeichen 6 Sa 684/22 nochmals bestätigt.
Voraussetzung 2: Keine Übernahmemöglichkeit in Restbetrieb
Weiterhin darf bei Schließung einer organisatorisch selbstständigen Betriebsabteilung keine Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im restlichen Betrieb bestehen. Anders als beim allgemeinen Kündigungsschutz muss es sich hier nicht um vergleichbare oder gleichwertige Arbeitsplätze handeln. Der Anspruch von Betriebsratsmitgliedern auf Weiterbeschäftigung in einem anderen Bereich des Betriebes geht weiter und entfällt nur dann, wenn keinerlei sinnvolle und zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb mehr besteht. Ist eine solche Möglichkeit vorhanden, müssen gegebenenfalls andere Beschäftigte ohne Betriebsratsamt, die derzeit auf diesen Arbeitsplätzen beschäftigt sind, gekündigt werden. Betriebsratsmitglieder genießen insofern aufgrund des von ihnen wahrgenommenen Ehrenamtes einen Vorrang. Schwierig würde es damit beispielsweise für Buchhalter, wenn es nur noch Arbeitsplätze für Ingenieure gäbe.
Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen für Betriebsratsmitglieder keinesfalls absolut ist, jedoch auch nicht unterschätzt werden darf. Für sämtliche Voraussetzungen der Kündigungsmöglichkeit trägt auch die Arbeitgeberseite die Darlegungslast und Beweislast.
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