Betriebsbedingte Kündigung im Arbeitsrecht

26.04.2022

Das Kündigungsschutzrecht ist ein Kernelement des sozialen Arbeitsrechts. Sofern das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist (mehr als 10 Vollzeitbeschäftigte im Betrieb und Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate) müssen Arbeitgeber eine Kündigung nach dem gesetzlichen Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes begründen. Eine Kündigung muss entweder verhaltensbedingt, personenbedingt oder betriebsbedingt gerechtfertigt sein. Sonst ist sie unwirksam 
 
Insbesondere die betriebsbedingte Kündigung ist für betroffene Arbeitnehmer:innen besonders problematisch. Hier kann das Arbeitsverhältnis gekündigt werden, ohne dass es auf das Verhalten oder die Person der betroffenen Arbeitnehmer:innen ankommt. 
 
Voraussetzung für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ist jedoch zunächst eine unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes der zu kündigenden Beschäftigten führt. Sodann dürfen keine anderweitigen zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen und muss gegebenenfalls eine Sozialauswahl vorgenommen werden, wenn nicht alle von dem Wegfall des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer:innen gekündigt werden sollen, sondern eine Auswahl unter ihnen stattfindet.  
 
Schwerpunkt der Verteidigung gegen eine betriebsbedingte Kündigung ist meist das Bestreiten des tatsächlichen Wegfallens des Arbeitsplatzes, das Aufzeigen weiterer Beschäftigungsmöglichkeit und das Überprüfen einer vorgenommenen Sozialauswahl.  
 
Weniger erfolgsversprechend ist das Infragestellen der unternehmerischen Entscheidung selbst. Insofern betonte die Rechtsprechung, dass Sinn und Vernünftigkeit der unternehmerischen Entscheidung nicht gerichtlich zu prüfen sind, da es Arbeitgebern zustehe, ihren Betrieb und ihr Unternehmen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Wenn also eine unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, so kann der Kündigung grundsätzlich nicht bereits mit dem Argument entgegengetreten werden, die unternehmerische Entscheidung sei nicht sinnvoll oder nicht notwendig. Schwerpunkt der Verteidigung ist in solchen Fällen vielmehr die Überprüfung, ob die unternehmerische Entscheidung tatsächlich zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt und keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. 
 
Dieser Vorrang der unternehmerischen Entscheidung gilt jedoch nicht uneingeschränkt und darf nicht missbräuchlich verwendet werden, um eine an sich nicht rechtmäßige Kündigung auszusprechen. 
 
In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht Thüringen eine wichtige Entscheidung getroffen (Urteil vom 04.08.2021 zum Aktenzeichen 4 Sa 293/19). 
 
Das Landesarbeitsgericht führt insofern aus, dass eine betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich auf eine unternehmerische Entscheidung gestützt werden dürfe, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führe. Die unternehmerische Entscheidung sei nicht auf sachliche Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit zu prüfen. Das Landesarbeitsgericht betont allerdings, die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führe, dürfe nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sein. Eine unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führe, dürfe nicht nur deshalb getroffen werden, um bestimmten Arbeitnehmer:innen oder bestimmten Arbeitnehmergruppen zu kündigen. Wenn die unternehmerische Entscheidung als solche in der Kündigung von Arbeitnehmer:innen liege, könne sie nicht zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung herangezogen werden. Der Verlust von Arbeitsplätzen müsse eine Folge einer vorherigen unternehmerischen Entscheidung sein.  
 
Eine unzulässige unternehmerische Entscheidung ist nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zum Beispiel dann zu vermuten, wenn die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, in deren Folge Arbeitsplätze wegfallen, zu einer Arbeitsverdichtung und Überforderung des verbleibenden Personals führe. Aus dieser Arbeitsverdichtung sei zu schließen, dass die Arbeit ja noch vorhanden sei und nun von den verbliebenen Kolleg:innen miterledigt werden müsse. Da Arbeit und Arbeitsplätze gar nicht weggefallen seien, könne auch angenommen werden, dass es dem Arbeitgeber vielmehr direkt um die Kündigung von Arbeitnehmer:innen gegangen sei. 
 
Diese Entscheidung des LAG Thüringen ist sehr zu begrüßen, da sie die Möglichkeiten willkürlicher betriebsbedingter Kündigungen bei nur vorgeschobenen betrieblichen Notwendigkeiten unterbindet.

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