Verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich in einem interessanten Urteil (2 Sa 216/20) mit der im Kündigungsschutzrecht sehr wichtigen Frage beschäftigt, wann eine verhaltensbedingte Kündigung vom Arbeitgeber auch ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden kann. 

Sofern auf das Arbeitsverhältnis der gesetzliche Kündigungsschutz anwendbar ist (Bestand des Arbeitsverhältnisses seit mehr als 6 Monaten und mehr als 10 Vollzeitbeschäftigte im Betrieb), kann eine Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei Vorliegen der strengen gesetzlichen Voraussetzungen erfolgen.

Eine Kündigung muss entweder auf betriebsbedingte (z. B. Wegfall Arbeitsplatz), verhaltensbedingte (z. B. Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis) oder personenbedingte Gründe (z.B. dauerhafte Krankheit) gestützt werden.

Die Rüge- und Warnfunktion der Abmahnung

Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist neben einem beweisbaren Fehlverhalten üblicherweise eine vorherige Abmahnung erforderlich, da eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses stets nur das letzte Mittel sein darf.

Die Abmahnung muss das arbeitsrechtliche Fehlverhalten genau bezeichnen und als vertragswidrig rügen (Rügefunktion). Zugleich dient sie als Warnung für die betroffenen Arbeitnehmer:innen (Warnfunktion), um diesen die Chance zu geben, ihr Verhalten zu ändern und einer Kündigung aus dem Weg zu gehen.

Keine Erforderlichkeit der Abmahnung bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten

Eine solche Abmahnung ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung dann nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass schon bei einem einmaligen Verstoß eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar gilt oder wenn bei objektiver Betrachtung mit einer Änderung des Verhaltens des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin nicht zu rechnen ist, so dass eine Abmahnung keine Wirkung entfalten würde. 

Diese Ausnahme ist äußerst kritisch zu sehen, da sie den Kündigungsschutz einschränkt und daher nur in ganz eindeutigen Fällen zur Anwendung kommen darf. 

In dem vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer während seiner eigenen Krankschreibung versucht durch massive Beeinflussungen seine Kollegen:innen von einer Änderung der durch ihn erstellten Arbeits- und Tourenpläne abzuhalten. Er wollte dadurch verhindern, dass erhebliche Rechtsverstöße bei der Erstellung der Arbeits- und Tourenpläne bekannt würden, denn er hatte die Tourenplanung zum Nachteil des Unternehmens aufgestellt. 

Dieses als besonders schwerwiegend bewertete Verhalten des Arbeitnehmers, das eigene Fehlverhalten durch massive Beeinflussung von Zeugen zu verschleiern, zeigt deutlich auf, welche Schwere ein arbeitsrechtliches Fehlverhalten haben muss, um eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.

Einfache Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis rechtfertigen nach dieser Rechtsprechung keinesfalls bereits den Verzicht auf die wichtige Warnfunktion einer Abmahnung.

Bei Erhalt einer Kündigung ist deshalb unbedingt anzuraten, diese gründlich anwaltlich prüfen zu lassen, ob eine Verteidigungsmöglichkeit besteht.

25.01.2024

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