Unfallversicherung am Arbeitsplatz - was gilt als Arbeitsunfall?

Unfälle bei der Arbeit sind keine Seltenheit.

Während ihrer Arbeitstätigkeit am Arbeitsplatz sind Arbeitnehmer:innen oftmals einem Risiko ausgesetzt, das sie nicht selbst bestimmen können. Durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers müssen sie vielfach Tätigkeiten ausführen, die sie sich selbst nicht ausgesucht haben. Ihre Arbeitsleistung müssen sie häufig in den vom Arbeitgeber gestalteten Betriebsörtlichkeiten verrichten, auf die sie ebenfalls keinen Einfluss haben.

Um die Folgen eines Arbeitsunfalls für betroffene Arbeitnehmer:innen in diesen fremdbestimmten Strukturen abzumildern, besteht die gesetzliche Unfallversicherung während der Arbeitstätigkeit.

Wann ein Unfall als versicherter Arbeitsunfall gilt, ist dabei eine entscheidende Frage.

Für die Annahme eines versicherten Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass die Tätigkeit der versicherten Beschäftigten im Zeitpunkt des Unfalls eine versicherte Arbeitstätigkeit ist oder mit dieser einen inneren sachlichen Zusammenhang aufweist. 

Abgrenzung: Was ist Arbeitstätigkeit, was ist Privatangelegenheit?

Bei der Abgrenzung, ob es sich um eine versicherte Arbeitstätigkeit oder um eine nicht versicherte Privatangelegenheit handelt, können erhebliche rechtliche Schwierigkeiten entstehen. Bereits mehrfach musste sich die Rechtsprechung mit solchen Fällen auseinandersetzen.

In einer neuen Entscheidung vom 07.02.2023 zum Az. L 3 U 202/21 hat sich das Landessozialgericht Hessen mit einem solchen Fall befasst. 

Unfall auf dem Weg zum Getränkeautomaten laut Landessozialgericht versichert

Ein Sturz beim Kaffee-Holen kann schnell passieren.

Gegenstand des Verfahrens war der Unfall einer Arbeitnehmerin auf dem Betriebsgelände auf dem Weg zu einem Getränkeautomaten.

Das Landessozialgericht Hessen hat hierbei festgestellt, dass der Weg zum Getränkeautomaten keine Arbeitstätigkeit an sich ist, jedoch in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit steht.

Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist bei ähnlichen Konstellationen zu unterscheiden, ob es sich um den Weg zur Nahrungsaufnahme oder die Nahrungsaufnahme selbst handelt. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Nahrungsaufnahme selbst nicht versichert, da es sich um eine Privattätigkeit handelt. Der Weg zur Nahrungsaufnahme auf dem Betriebsgelände steht jedoch noch im inneren Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit und ist als solcher versichert.

In Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung rechtfertigt das Landessozialgericht die Versicherung des Weges damit, dass Hin- und Rückweg zur Nahrungsaufnahme der Fortsetzung der Arbeitstätigkeit dient. Weiterhin habe der Weg seinen Ausgangs- und Zielpunkt auf dem Betriebsgelände, da dort die Arbeitsleistung zu erbringen sei.

Das Landessozialgericht hat auch die Tür des Raumes, in dem sich der Getränkeautomat befindet, nicht als Grenze des versicherten Bereichs anerkannt. Anders als bei Verlassen des Gebäudes befinde sich der Raum innerhalb des Betriebsgeländes, weshalb dessen Tür nicht als Grenze des Versicherungsschutzes gelten könne.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts ist zu begrüßen, da sie den Versicherungsschutz von Beschäftigten bei fremdbestimmter Arbeit in fremdbestimmter Umgebung sichert. 

Versicherungsschutz auch im Homeoffice 

Die von dem Landessozialgericht angewandten Rechtsgrundsätze sind nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch unbeschränkt auf eine Tätigkeit im Homeoffice anzuwenden (Urteil des BSG vom 08.12.2021 zum Az. B 2 U 4/21 R). Auch im Homeoffice sind die Arbeitstätigkeiten, der Weg von und zur Arbeitstätigkeit und der Weg zur zwischenzeitlichen Nahrungsaufnahme in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

31.03.2023

Hentschel Rechtsanwälte – Weil Ihre Arbeit Teil Ihres Lebens ist! 




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